Archiv für den Monat: April 2012

Liebe SPD,

ich kotze. Wieder einmal. Tut mir Leid, aber es ist mir nicht möglich, es weniger krass auszudrücken. Seit vielen Jahren bin ich Mitglied und schon einige Male habe ich dran gedacht, mein Parteibuch zurückzuschicken. Dennoch habe ich es nie getan und werde es auch diesmal unterlassen, denn als Demokrat bin ich davon überzeugt, dass man dich nur von innen heraus verändern kann.

Du hast dir ja schon einiges erlaubt. Die Agenda 2010, okay, da bist du ja mittlerweile beratungsresistent. Der harte innenpolitische Kurs, was auch immer dich da geritten hat, ist immerhin nicht mehr ganz so akut. Aber dass du uns alle so vor den Kopf stößt, indem du einen technokratischen Sozialdarwinisten in deinen Reihen geradezu Willkommen heißt, ist schon ein starkes Stück. Spätestens jetzt hast du nicht nur unsere Grundwerte verraten, sondern mit der undurchsichtigen Klüngelei auf Vorstandsebene auch noch der Basis ein kräftigen Tritt verpasst.

Ich frage mich: warum? Erhoffst du dir wirklich dadurch Ruhe, dass du so einem wie dem Sarrazin sein Parteibuch lässt? Du siehst ja, was für ein Aufschrei durch’s Land geht. Hast du auf Stimmen von rechten Rand spekuliert? Auf die Leute, die denken, dass er “ja eigentlich Recht habe”? Auf die kann ich getrost verzichten. War es ein Deal mit den Seeheimern? Dann bist du armselig, weil du dich auf so etwas billiges einlässt.

Aber ich verrate dir gerne, was passieren wird: viele lang gediente Genossinnen und Genossen werden uns verlassen – wenn sie es nicht schon getan haben. In den Umfragen stürzen wir ab, weil wir als unzuverlässige Wischi-Waschi-Truppe ohne Profil wahrgenommen werden. Und unseren “SpitzenpolitikerInnen” wird immer ein käufliches Image anhaften. (An dieser Stelle möchte ich festhalten, dass ich von Andrea Nahles ganz besonders enttäuscht bin.)

Ich wünsche mir sehr, dass wir endlich zu unseren Wurzeln zurückkehren. Denn was du schon fast vergessen zu haben scheinst, ist, dass wir eine sozialistische Partei sind. Das bedeutet, dass Freiheit und Solidarität, dass Chancengleichheit und Förderung der Schwachen, dass Integration, Frieden und die Schaffung einer Gemeinschaft oberste Priorität haben müssen. Und nicht Ausgrenzung und Spaltung und Lobbyismus und Machterhalt um jeden Preis. Aus diesem Grund halte ich die “Berliner Erklärung” für eine gute Sache, den richtigen Schritt und kann nur dafür werben, sie mitzuzeichnen.

Ich hoffe, du erkennst den Fehler, den du gemacht hast und lernst daraus.

Herzlichst

Dein Sebastian

I beat the kafkaesque administration. Oder eine Geschichte, die es Wert ist, erzählt zu werden.

Manche Geschichten sind so traurig, dass sie einen wiederum zum Lachen bringen. So wie meine. Oder, genauer gesagt, die Geschichte meiner Masterarbeit.

Alles begann im vergangenen März. Hoch motiviert legten meine beiden Fachbetreuer, der Rektor unserer Hochschule höchst persönlich und einer unser fähigsten Laboringenieure, gemeinsam mit mir das Thema meiner Masterarbeit fest. Ein Laborversuch sollte es werden. Für das bei uns noch relativ junge Lehrgebiet der Echtzeitsysteme. Spezialisiert habe ich mich auf das Controller Area Network, kurz CAN, weil es zum einen ausgereift und zum anderen kostengünstig ist. Schnell war eine kleine Firma in Ostthüringen gefunden, die nicht nur alle benötigten Komponenten liefern konnte, sondern zudem auch noch ein sehr preiswertes Angebot unterbreitet hatte. Der Bestellvorgang würde zwei bis drei Wochen dauern, wurde mir versichert. Perfekt, um nach den Prüfungen ein bisschen auszuspannen und den Kopf für das bevorstehende Finale frei zu kriegen.

Nun ist es an meiner FH, der Telekom-eigenen Hochschule für Telekommunikation in Leipzig, aber so, dass reguläre Bestellungen einzig über den zentralen Einkauf der Deutschen Telekom getätigt werden können. Eigentlich ein eingespieltes Procedere. Die Unterlagen wurden ausgefüllt, das Budget genehmigt und Anfang Mai ging der “Warenkorb” samt Kostenvoranschlag und der Bitte um eine zügige Bearbeitung nach Fulda, wo das Accounting des Konzerns sitzt. Hier begann die Bearbeitung des Vorgangs am 8. Mai.

Und hier begann auch das Elend, das mich über einige Monate viele Nerven gekostet hat – und bis heute kostet. Denn es ist ja nicht so, dass ein Verwaltungsfachangestellter eine Bestellung der Hochschule einfach nimmt, die Teile ordert und sie als Investition in der Bilanz verbucht. Dies wäre wahrscheinlich zu einfach gewesen. Nein, denn der Bearbeitungsprozess sieht vor, dass zunächst geprüft werden muss, ob die Telekom mit den zu bestellenden Komponenten überhaupt etwas anfangen kann. Nur war leider der Bearbeiter meines Antrags kein Fachmann für Kommunikationstechnik und er konnte so auch mit dem Begriff “Controller Area Network” nichts anfangen. Aber er war anscheinend motiviert genug um kurz nachzuforschen und festzustellen, dass das CAN mit dem Kerngeschäft des Konzerns anscheinend nichts zu tun hat. Was folgte war, wohlgemerkt nach einigen Tagen Bearbeitungszeit, die Ablehnung und Löschung des Warenkorbs. Zwar ist so eine Ablehnung bitter und erfordert nervenaufreibende Nachbearbeitungszeit, doch ist sie auch kein Weltuntergang. Schön wäre es allerdings gewesen, wenn man die bestellende Instanz, in diesem Fall meinen Laboringenieur, hierüber in Kenntnis gesetzt hätte. So gingen bereits die ersten Wochen ins Land, ohne dass überhaupt etwas geschehen ist.

Als, nach einigen Nachforschungen, schließlich die aktuelle Situation ans Licht kam, kostete es meinen Fachbetreuer mehrere Tage und ellenlange E-Mails, um dem zuständigen Verwaltungsfachangestellten näher zu bringen, um was es sich beim CAN überhaupt handelt. Dieser sah letztendlich ein, dass man so etwas durchaus in einem Labor der Hochschule gebrauchen könne und willigte ein, in Zukunft derartige Bestellungen nicht mehr per se abzulehnen.

Da, wie bereits erwähnt, der besagte Warenkorb aus dem System der Telekom gelöscht worden ist, musste der ganze Vorgang aber wieder von vorn beginnen. Das Budget wurde erneut genehmigt und alle Unterschriften eingeholt. Die Bestellung wurde erneut ins beschauliche Fulda geschickt und erreichte das dortige beamtenlastige Accounting im Juni. Pünktlich zur Urlaubszeit.

Dass der Vorgang in Fulda dann ins Stocken geraten ist, trotz des Hinweises auf die Dringlichkeit der Bestellung, mag nicht weiter verwundern. Aber immerhin arbeitete die Finanzbuchhaltung schnell genug, um den Warenkorb noch im selben Monat zu genehmigen, wenn auch fast vier Wochen nach Eingang.

Seit dem wartet der Auftrag nur noch auf seine Bearbeitung. Es ist nämlich nicht so, dass der zuständige Verwaltungsfachangestellte die Bestellung eigenhändig an die entsprechende Firma schickt. Nein, seine Aufgabe ist lediglich die steuerrechtliche Verbuchung der Investition. Den Bestellvorgang übernimmt wiederum eine eigenständige Abteilung.

Dies war vor zehn Tagen. Da bei mir bisher weder ein Paket, noch ein Feedback seitens der Telekom eingetroffen ist, habe ich beschlossen, heute weitere Nachforschungen anzustellen. Ich habe mit meinem Laboringenieur eine geschlagene Dreiviertelstunde und vier unser Verwaltungsmitarbeiterinnen gebraucht, bis wir aus diversen Systemen die Warenkorbnummer, sowie Name und E-Mailadresse der zuständigen Sachbearbeiterin im Konzern ermitteln konnten. Ein Dreizeiler unserer Hochschulverwaltung hat dann aber schon nach wenigen Stunden gefruchtet und mir wurde zugesichert, dass die Bestellung übermorgen an die Firma geschickt wird.

Bleibt zu hoffen, dass der restliche Vorgang nicht zu lange dauert. Denn die Telekom bestellt nicht, wie jedes andere Unternehmen, einfach so. Es muss zuerst ein Vertrag ausgehandelt werden, bevor eine Firma in das offizielle Lieferregister des Konzerns aufgenommen werden kann. Ich habe den Vertriebler vorsichtshalber schon mal vorgewarnt und ihn gebeten, den Prozess schnell über sich ergehen zu lassen und das Paket so bald wie möglich versandfertig zu machen. Er versicherte mir, dass die Kunden normalerweise spätestens drei Werktage nach Eingang der Bestellung ihre Lieferung hätten. Schnell und unkompliziert.

Mein Lieblingspodcast

Nachdem ich die Aufgabe jetzt schon einige Tage vor mir hergeschoben habe, hier mein Beitrag zur CRE-Blogkette. Aber zunächst, für all die Leserinnen und Leser, die mit dem Kürzel “CRE” nichts anfangen können, die notwendige Erklärung:

CRE steht für “Chaosradio Express” und es handelt sich dabei um einen Podcast, der im Umfeld des Chaos Computer Clubs entsteht und parallel zu anderen “Chaosradios” existiert. Verantwortlicher, Organisator und Host der Show ist Tim Pritlove, der vielen in der Szene zumindest durch das Projekt “Blinkenlights” ein Begriff sein dürfte. Tim reist unermüdlich durch die Weltgeschichte um uns, seinem mehrheitlich wahrscheinlich leicht nerdigen Publikum, regelmäßig interessante Sendungen zu allerlei Themen aus Technik, Politik und Popkultur zu präsentieren. (Manchmal kommt es sogar vor, dass er einfach so zu einem Hörertreffen anreist, OHNE etwas aufzunehmen.) Obwohl er das ganze vollkommen unentgeltlich tut und seine Sendungen der Menschheit “einfach so” zur Verfügung stellt, wage ich es kaum, das Ganze als Hobby zu bezeichnen. Aber am besten ist es, ihr macht euch selbst ein Bild, z. B. auf http://chaosradio.ccc.de.

Ich muss zugeben, dass ich gar nicht mehr weiß, wie ich ursprünglich auf CRE gestoßen bin. Es muss irgendwann um Folge 40 gewesen sein und wahrscheinlich habe ich in irgendeinem Blog darüber gelesen. Jedenfalls wurde ich gleich angefixt, vielleicht auch weil ich als Radiohörer für Podcasts generell sehr empfänglich bin. Wie auch immer, fest steht, dass mich Tim seit dem fast täglich in Tram, Bus und Bahn begleitet.

Als “kritischer Zuhörer” möchte ich diesen Post aber auch nutzen, um meine Kritik zu Tim’s Arbeit loszuwerden. Also:

Lieber Tim,

erst einmal sei gesagt, dass dein “Werk” zweifelsohne fantastisch ist. Wären wir in der Grundschule, würde ich dich mit Bienchen und Sternchen überhäufen. Selbstverständlich gefallen aber auch mir persönlich nicht alle Folgen gleich gut. Besonders mag ich die politischen und kulturellen Episoden, von denen ich viele schon mehrfach gehört habe. Auch deine “Interviews” stehen bei mir hoch im Kurs. Vom technischen Aspekt her gefällt mir fast alles unterhalb von OSI-Schicht 5. Analog dazu muss ich aber auch sagen, dass ich als Ingenieur mit vielen Informatikthemen ganz einfach nicht viel Anfangen kann. Hier gilt bei mir meistens die Devise: Einmal anhören, dann hat man mal was davon gehört. Dabei belasse ich’s dann aber auch.

Natürlich bin ich auch nicht immer einer Meinung mit deinen Gästen oder dir und mitunter kommt es vor, dass ich etwas ergänzen oder korrigieren könnte. Dank deines Blogs bzw. der Kommentarfunktion kann ich aber auch in diesen Fällen meinen Senf dazugeben und in gewisser Weise am Podcast mitwirken. Sehr gut!

Hätte ich einen Wunsch frei, würde ich mir natürlich mehr Themen wünschen, wie in meinen Lieblingsfolgen (z. B. Retrofuturismus, Energiesparhäuser, TUWAT.TXT oder die ganzen aktuellen politischen Themen). Außerdem fände ich persönlich es ganz toll, wenn du wieder an deinem englischen Podcast (Chaosradio Express International, CRI) arbeiten würdest. Mindestens Bicyclemark habe ich ins Herz geschlossen ;)!

Ich fasse zusammen: Tim, du machst einen grandiosen Job! Ich persönlich favorisiere eher die “leichten” Themen oder die, bei denen es um irgendwas Ingenieurtechnisches geht und würde mir darum natürlich gerade in diesen Bereichen mehr wünschen. Mir ist aber durchaus bewusst, dass viele da anders ticken und auch die “harten” Themen bedient werden wollen. Ich bin jedenfalls immer gespannt auf deine nächsten Aktionen und freue mich jedes Mal, wenn mein kleines Musikabspielprogramm mir stolz verkündet: “Neuer Podcast wird heruntergeladen!”

Sebastian Lammermann

Um die Kette zusammenzuhalten:

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Liebe digitale Bohème,

entschuldige, dass ich dich stören muss, aber leg bitte kurz dein MacBook und deine Latte macchiato zur Seite. Denn wir müssen mal reden.

Meinst du nicht, dass es langsam an der Zeit ist, erwachsen zu werden? Seit Jahren hängst du nur an deiner Kiste und kommunizierst mit flüchtigen Bekannten, die du für deine Freunde hältst. Seit Jahren jettest du durch’s Weltgeschehen, von einer Konferenz zur anderen, nur damit du dich bedeutend fühlen kannst. Seit Jahren bloggst und twitterst du unwichtiges und unreifes Zeug. Und hörst dir selber gebannt dabei zu.

Deine Eltern und Großeltern haben noch was geschafft. Sie haben nach dem Krieg ganze Länder wieder aufgebaut und sich einen bescheidenen Wohlstand erwirtschaftet. Sie haben unserem Kontinent nach Jahrhunderten einen dauerhaften Frieden gebracht. Sie haben für unsere Freiheit demonstriert, obwohl sie nicht wussten, ob die Volkspolizei sie in Stücke schießen wird. Kurz gesagt: sie haben die Grundlage geschaffen, durch die du erst möglich geworden bist.

Natürlich ist es toll, in jungen Jahren ein wildes unabhängiges Leben zu führen. Immer fünf SIM-Karten dabei zu haben, damit man auch überall connected ist. Auf dem Rückweg von New York nach Berlin doch noch schnell in Amsterdam zwischenlanden, um ein BarCamp mitzunehmen. Aber kannst du ewig so leben? Was ist, wenn du eines Tages eine Familie gründen möchtest? Womit ernährst du sie? Die Wahrheit ist nämlich, dass die Millionen von Menschen, die täglich acht Stunden im Büro, am Fließband oder im Krankenhaus schuften, dass diese Millionen von Menschen, auf die du immer etwas herablassend blickst, dass diese Millionen von Menschen mit ihren Bausparverträgen und Eigentumswohnungen ihr Leben in Wirklichkeit viel besser im Griff haben als du. Denn sie übernehmen Verantwortung.

Aber ich möchte dich nicht niedermachen, sondern lieber an die Hand nehmen und fragen ob du Lust auf etwas Neues hast. Lust auf die Welt rechts und links neben dir. Lust auf Verantwortung. Denn jetzt ist unsere Generation an der Reihe.

Beweise, dass deine Verbesserungsvorschläge nicht nur heiße Luft sind sondern lass den Worten Taten folgen. Vielleicht würde ich dich wählen, wenn ich könnte. Hör auf deine Mitmenschen zu belächeln, sondern rede mit ihnen und zeig ihnen deine Welt. Dann werden sie dir ihre zeigen und schließlich werdet ihr euch verstehen. Finde deine Heimat, ganz gleich, ob sie nun Hamburg oder Hanoi heißt, und werde glücklich. Lebe in unser aller Welt, statt nur in deiner, und wir werden mit Sicherheit Freunde. Ich würde mich jedenfalls wahnsinnig darüber freuen.

So, jetzt muss ich aber weiter. Danke für’s zuhören! Und jetzt bestell dir noch einen Café und genieß die restlichen Sonnenstrahlen.

Bis bald.

Ein Blick auf DIE FREIHEIT

Die Bundesrepublik ist um eine Partei reicher. “Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie”, oder kurz “DIE FREIHEIT”, nennt sich diese neue Vereinigung und verkündet auf ihrer Website schon jetzt, dass sie in den kommenden Dekaden die Politik in Deutschland “entscheidend mitbestimmen wird”. Klingt spannend, aber was kann das nur für eine Partei sein?

Ein Blick auf die politischen Leitsätze wirft sogleich Fragen auf. Einerseits wird festgestellt, dass diverse Freiheiten (z. B. Meinungs-, Presse-, Versammlungsfreiheit etc.) Bestandteil einer freien Gesellschaft sein müssen (wobei einige Punkte etwas schwammig formuliert sind und man im Umkehrschluss wiederum die Forderung nach Einschränkung dieser Freiheiten erkennen könnte). Andererseits setzt sich Partei gegen “linksideologisch motivierte Experimente zur Umerziehung der Bevölkerung” und “Ausbreitung totalitärer Ideologien, insbesondere des politischen Islams und des Sozialismus” ein, aber auch gegen den Überwachungsstaat und die Beschneidung der freien Meinungsäußerung. Sie stehen, nach eigener Aussage, für Transparenz und Demokratie, treten aber auch für Patriotismus und (den ursprünglichen) Nationalismus ein und konstruieren in ihrem Text klassische Rechtsaußenpositionen, wie die Kollektivkriegsschuld, die natürlich abgelehnt wird. Außerdem wird verklausuliert klar gestellt, dass Deutschland ein christliches Land sei, gleichzeitig sollen Staat und Kirche aber getrennt werden. Den Sozialstaat findet DIE FREIHEIT zwar gut, lässt aber offen, inwiefern. Schließlich wird noch auf die Innenpolitik eingegangen, wo ein harter Kurs gegen Straftäter angekündigt wird.

Fassen wir mal zusammen: wir haben hier eine Partei, die sowohl klassische rechtskonservative Positionen vertritt, als auch auf den Zug der freien digitalen Gesellschaft aufgesprungen ist. Der typische Wähler dieser Partei dürfte damit ein besser verdienender Informatiker mittleren Alters sein?! Zugegeben, ein bisschen raucht mein Kopf schon.

Beim Runterscrollen auf der Homepage von diefreiheit.org wird dann allerdings schnell deutlich, wo der Hase lang läuft. Der Name “Geert Wilders” taucht gefühlte einhundertmal auf. Anscheinend möchte hier jemand eine Art “Schwesterpartei” der Partij voor de Vrijheid aufbauen, die in den Niederlanden dank des Schürens von Ressentiments vor einigen Wochen massiv Stimmen hinzugewinnen konnte. Aber wer zum Teufel kommt auf die Idee eine solche Partei zu gründen?

Gut, da fällt mir sofort ein Name ein, aber Sarrazin ist noch immer SPD-Mitglied. Von einem Gesicht wird man auf der Website aber sogleich zärtlich angelächelt. Es gehört René Stadtkewitz, einem ehemaligen CDU-Abgeordneten, dem seine Partei zu “links” geworden ist. Unter anderem meint Stadtkewitz im Islam den Faschismus zu erkennen und er setzt sich massiv gegen Moscheebauten in Berlin ein. Dass sich so einer bereitwillig von der Jungen Freiheit interviewen lässt, rundet das Bild von ihm ab. Sein ehemaliger Fraktionskollege Marc Doll ist im Übrigen auch mit an Bord.

Ein Name hat mich dann aber doch überrascht: Aaron Koenig. Erinnert ihr noch an den? Als die Piratenpartei kurz vor der Bundestagswahl 2009 eine massive mediale Präsenz erreicht hatte, war Koenig Beisitzer im Vorstand. Er hat die Partei beim Zulassungsprozess zur Wahl vertreten und schien auch sonst als eine Art “Sprecher” aufzutreten. Nachdem sich Koenig schon die eine oder andere Nazigeschichte geleistet hatte, hatte er bei seinem Austritt bereits angekündigt eine eigene Partei gründen zu wollen. Jetzt sehen wir, was daraus geworden ist.

DIE FREIHEIT scheint damit einerseits eine typische Rechtsaußenpartei zu sein, die gerne die Meinungsfreiheit in Geiselhaft nimmt (“Das muss man auch mal sagen dürfen…”) und versucht, durch das Schüren von Ängsten Wählerstimmen zu ergattern. Andererseits sieht es so aus, als würde DIE FREIHEIT in Konkurrenz zu den Piraten gehen wollen und sich als “die einzig wahre Partei der Meinungsfreiheit” verkaufen. Ein Konzept, dass sich für mich nur mäßig ineinander fügt. Am wahrscheinlichsten ist es aber, dass DIE FREIHEIT nichts weiter als heiße Luft ist, produziert von drei Egomanen, die sich zu einem Zweckbündnis zusammengefunden haben.